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Galvanotechnik in der Batterieforschung (Teil 2/2) – ein Interview mit Dr. Michael Stich von der TU Ilmenau

Einige Komponenten der zuletzt verstärkt in den wissenschaftlichen Fokus gerückten neuen Batterietechnologiekonzepte können unter anderem durch den Einsatz galvanotechnischer Prozesse gefertigt werden. Dies hat die DGO-Geschäftsstelle zum Anlass genommen, um die aktuelle und perspektivisch zu erwartende Rolle der Galvanotechnik bei der Batterieforschung herauszustellen und neue Entwicklungen auf diesem Gebiet zu beleuchten. Zuletzt wurde dazu bereits ein Interview mit Prof. Dr. Timo Sörgel von der Hochschule Aalen publiziert. Für die vorliegende Ausgabe sprach Dr. Daniel Meyer von der DGO-Geschäftsstelle mit Dr. Michael Stich von der TU Ilmenau. Michael Stich ist PostDoc im Fachgebiet Elektrochemie und Galvanotechnik und setzt sich unter anderem mit der Entwicklung und Charakterisierung von Lithium-Ionen-Sekundärbatterien auseinander:

Dr. Michael Stich, TU Ilmenau, Fachgebiet Elektrochemie und Galvanotechnik

Herr Dr. Stich, wo liegen Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte im Zusammenhang mit neuen Batterietechnologien und der Galvanotechnik?

Bei unserer Batterieforschung gibt es grundsätzlich mehrere Schnittstellen zur Galvanotechnik. Ein Schwerpunkt ist die Erforschung der anodenseitigen Abscheidung von Aktivmaterialien wie Lithium und Silizium aus nichtwässrigen Lösungen für Lithium-Ionen-Batterien (LIB). So versprechen beispielsweise Anoden auf Basis von LiSi-Legierungen eine um bis zu 10-fach höhere Kapazität pro Gewichtseinheit als das heutzutage zumeist angewandte System auf Basis von Kohlenstoff mit eingelagerten Li-Ionen. Silizium und andere legierungsbildende Materialien stellen die Batterieentwicklung jedoch vor die Herausforderung, dass sie bei jedem Lade- und Entladezyklus stark „atmen“, sich also jeweils ausdehnen und wieder kontrahieren. Dies führt zu mechanischen Spannungen, Rissen und letztlich zu einer Ablösung dieser Aktivmaterialien vom Stromkollektor. Ein rapider Kapazitätsverlust der Zelle ist die Folge. Über die gezielte Siliziumabscheidung aus nichtwässrigen Elektrolyten mit einem großen elektrochemischen Stabilitätsfenster auf einem geeignet strukturierten Stromableiter kann man die Verteilung und Schichtdicke des Siliziums genau kontrollieren und damit mechanische Spannungen und die rapide Zellalterung sehr gut minimieren.

Gibt es Materialkonzepte, mit denen theoretisch noch höhere Kapazitäten realisiert werden könnten?

Noch höhere spezifische Kapazitäten als mit Silizium könnten über die Verwendung einer elementaren Lithiumanode erreicht werden. Dieses sehr naheliegende Anodenmaterial kann jedoch seit Jahrzehnten nicht erfolgreich in kommerziellen, wiederaufladbaren LIBs eingesetzt werden, da sich metallisches Lithium nach vielmaligem Zyklieren nicht in eine glatte Schicht zurückformt, sondern Dendriten oder Whisker bildet, die den Separator durchwachsen können und damit einen „brandgefährlichen“ inneren Kurzschluss der Zelle hervorrufen. Die sichere Abscheidung von Lithium mit hoher Stabilität über hunderte bis tausende von Zyklen ist eine noch ungelöste Problemstellung, der man durch die Entwicklung von neuen flüssigen oder festen Elektrolyten und Additiven beizukommen versucht.

Auf welchen Gebieten sind Sie außerdem tätig?

In Kollaboration mit der Arbeitsgruppe von Prof. Sörgel an der HS Aalen wollen wir an Konzepten forschen, wie Aktivmaterialien zusammen mit den Stromableitern durch Galvanoformung hergestellt werden können.

Aktuelle Elektroden für LIB bestehen hauptsächlich aus Aktivmaterialien, welche über elektrochemische Reaktionen die elektrische Energie einer Zelle bereitstellen. Um diese Aktivmaterialien gut leitfähig an die vorher bereits erwähnten Stromableiter anzubinden, werden der Elektrode Leitadditive wie Ruß und polymere Binder – wie Carboxymethylcellulose – zugegeben, die jedoch als inaktive Materialien nicht zur Kapazität der Zelle beitragen. Mit dem patentierten Prozess der Galvanoformung wollen wir die Kosten und das Gewicht dieser inaktiven Materialien perspektivisch einsparen. Außerdem können so die ohmschen Widerstände der Zelle gesenkt werden, was wiederum eine schnellere Batterieladung mit höheren Strömen ermöglicht.

Wie schätzen Sie den aktuellen Reifegrad der genannten Technologien ein und wohin wird sich dieser mittelfristig entwickeln?

Während sich die Abscheidung von Aktivmaterialien aus nichtwässrigen Lösungen auch mittelfristig im Forschungs- und Entwicklungsstadium befinden wird, sehen wir eine mittelfristige Kommerzialisierung von galvanisch geformten Stromableitern – gegebenenfalls inklusive Aktivmaterialien – als durchführbar an. Korrosionsschutz für alle metallischen Bestandteile einer LIB, die im Kontakt mit dem organischen Batterieelektrolyten stehen (Kupfer-, Aluminiumstromableiter, Gehäuse) ist bereits ein kommerziell wichtiges Thema.

Welche Anwendungsmöglichkeiten für die Galvanotechnik sehen Sie außerdem bei einer zukünftigen Batteriefertigung in Deutschland?

Die Weiterentwicklung eines zuverlässigen und kostengünstigen Korrosionsschutzes für leichte aber mechanisch stabile Batteriegehäuse wird ein weiteres Anwendungsfeld für die Galvanotechnikbranche sein. Bei der Verwendung von nichtwässrigen Elektrolyten lassen sich zudem erweiterte Themenfelder wie Aktivmaterialabscheidung und Korrosionsschutzschichten erschließen.

Welche Aspekte stehen einer Etablierung von galvanotechnischen Verfahren bei der Zellfertigung möglicherweise entgegen?

Die Massenzellfertigung von LIB findet unter großem Preisdruck hauptsächlich in asiatischen Ländern statt. Galvanotechnische Verfahren können in Deutschland nur dann erfolgreich kommerzialisiert werden, wenn sie in einem Premium-Marktsegment etabliert werden, bei denen Produktverbesserungen die möglicherweise höheren Kosten rechtfertigen. Dies könnten zum Beispiel Batterien für besonders fordernde Anwendungen bzw. Nischenanwendungen oder auch automobile Batterien sein.

Herr Dr. Stich, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Forschung!