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TU Chemnitz: Diffusionshärtung thermisch gespritzter Schichten zur Anpassung von Bearbeitbarkeit und Oberflächenfunktionalität

Der Oberflächentopographie kommt in tribologischen Systemen eine entscheidende Bedeutung bei der Verringerung von Reibung und Verschleiß zu. Ölrückhaltevolumen sind für die Gewährleistung eines durchgängigen Schmierstofffilms entscheidend. Die offene Porosität thermisch gespritzter Schichtsysteme ist hierfür in besonderem Maße geeignet. Bei der mechanischen Endbearbeitung duktiler Schichten führen Verformungsvorgänge häufig zum Verschluss der Porennetzwerke. Um diesem Problem adäquat zu begegnen und eine funktionsgerechte Oberflächentopographie einzustellen, wurde eine Verfahrenskombination aus thermischem Spritzen, Gasnitrieren und Plandrehen an Stahlschichten erforscht.

Abbildung 1: Laserscanning Mikroskopaufnahmen der Oberflächenstrukturen thermisch gespritzter Schichten nach verschiedenen Nachbearbeitungszuständen

Für die Untersuchungen wurde ein mit 17 Prozent Chrom legierter Stahl ausgewählt. Schichten mit einer mittleren Dicke von 350–400 µm wurden durch Lichtbogendrahtspritzen hergestellt. Die heterogene Mikrostruktur ist durch Metall- und Oxidlamellen gekennzeichnet und weist eine Porosität von 2,6 Prozent auf. Die Schichtsysteme wurden sowohl im spritzrauen als auch im plangedrehten Zustand in einem industriellen Gasnitrierprozess behandelt. Durch die offenporige Struktur war eine vollständige Diffusionsanreicherung innerhalb der Schichtstruktur möglich. Querschliffaufnahmen im geätzten Zustand bestätigen die Ausbildung einer Verbindungsschicht im Randbereich. Durch Röntgendiffraktometrie konnte die Ausscheidung von ε- (Fe3N) und γ′-Nitrid (Fe4N) nachgewiesen werden. Härtegradienten zwischen Metall- und Oxidlamellen innerhalb der Schichtstruktur wurden durch die Diffusionsanreicherung reduziert. Die Endbearbeitung der Schichtsysteme erfolgte mittels Plandrehen unter Einsatz von CBN Wendeschneidplatten.

Abbildung 1 zeigt Laserscanning Mikroskopaufnahmen der Schichtoberfläche für unterschiedliche Nachbehandlungszustände. Neben Drehriefen sind Poren und ausgebrochene Bereiche in unterschiedlicher Ausprägung erkennbar. Demnach war eine deutliche Zunahme von Partikelausbrüchen im Zusammenhang mit einer vorgelagerten Nitrierbehandlung nachweisbar. Diese Strukturmerkmale können in tribologischen Systemen als Schmierstoffreservoir dienen und so die Gleit- und Notlaufeigenschaften verbessern. Eine nachgelagerte Nitrierbehandlung bewirkte die Ausbildung von Nitriden auf der Oberfläche, führte aber zu keiner Zunahme des Anteils an Partikelausbrüchen. Somit bildet eine Verbindungsschicht die Funktionsoberfläche, während diese bei den abschließend plangedrehten Schichten vollständig abgetragen wurde.

Weiterführend wurde der Einfluss der unterschiedlichen Behandlungszustände auf den Verschleißwiderstand untersucht. Die tribologischen Eigenschaften der Schichtsysteme wurden im Ball-on-Disk Test, dem Schwingverschleißtest und dem Scratchtest charakterisiert. Dies erfolgte zunächst ohne Schmierstoffzusatz. Im Vergleich zum Ausgangszustand zeigen die randschichtgehärteten Schichtsysteme ein verbessertes Verschleißverhalten. Der höchste Verschleißwiderstand unter Gleit- und Schwingbeanspruchung konnte für das Schichtsystem mit Verbindungsschicht nachgewiesen werden. Die höchste Ritzbeständigkeit bis zu Lasten von 110 N zeigte hingegen das randschichtgehärtete Schichtsystem, das abschließend plangedreht wurde.

Vielversprechendes Potenzal für untersuchte Verfahrenskombination

Die bisherigen Untersuchungen offerieren ein vielversprechendes Potenzial für die durchgeführte Verfahrenskombination. Die thermochemische Randschichthärtung der Schichten wirkt sich direkt auf das tribologische Verhalten der Schichten aus. Dadurch wird neben dem Verschleißwiderstand auch die Oberflächentopographie nach der mechanischen Endbearbeitung beeinflusst. Demnach begünstigt die Ausscheidungsbildung das Ausbrechen von Partikeln beim Plandrehen. Die erzeugte Oberflächentopographie kann zur Einlagerung von Schmierstoffen genutzt werden. Allgemein ist die Randschichthärtung mit einer Verbesserung des Verschleißwiderstands verbunden. Um die Schichtsysteme vor dem Hintergrund der erzeugten Oberflächentopographien und damit der Schmierstoffeinlagerung bewerten zu können, sind weiterführende Untersuchungen im geschmierten System notwendig. Die Integration einer Randschichthärtung in die Fertigungskette kann einen Beitrag zur funktionsgerechten Gestaltung der Oberfläche von Spritzschichten liefern. Die nachgewiesenen Adaptionsmöglichkeiten gestatten eine anwendungsorientierte Anpassung der Oberflächenqualität.

Die vorgestellten Ergebnisse sind während einer Bachelorarbeit im Forschungsprojekt SPM-08 „Spanende Nachbearbeitung von nitrierten Stahlschichten“ entstanden. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes im Rahmen des Leistungs- und Transferzentrums Smart Production and Materials.

Zur Person

Jingbo Qin hat Ende 2020 erfolgreich seine Bachelorarbeit zum Thema „Nachbehandlung thermisch gespritzter Stahlschichten durch spanende Bearbeitung und Gasnitrieren“ an der Technischen Universität Chemnitz abgeschlossen.

Kontakt:

Jingbo Qin
Mail: qinjb123(at)gmail.com

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lampke
Dipl.-Ing. Pia Kutschmann

Professur Werkstoff-und Oberflächentechnik
Technische Universität Chemnitz

www.tu-chemnitz.de/mb/WOT