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TU Ilmenau: Entwicklung einer Elektropoliertechnik auf Basis von ionischen Flüssigkeiten

Das Elektropolieren ist eine wichtige Methode zur Oberflächenveredelung, die gegenüber herkömmlichen mechanischen Polierverfahren den Vorteil hat, dass eine glänzende Oberfläche mit sehr geringer Rauheit (Ra ≤ 10 nm) auch bei Bauteilen mit komplexer Geometrie erreicht werden kann. Nachfolgende Ausführungen beruhen auf den Arbeiten von Lúcia Nascimento, TU Ilmenau.

Abb. 1: Vergleich einer mechanisch polierten Probe (a) vor und (b) nach der Elektropolitur in einem Cholinchlorid-Ethylenglykol-Elektrolyten bei 35 Grad

Industriell findet diese Methode Anwendung, um dekorativen Glanz von Bauteilen zu erzeugen und Verarbeitungsspuren zu beseitigen. Eine gleichmäßige Oberfläche ist zudem sehr wichtig für die Korrosionseigenschaften der Bauteile. Dies ist vor allem bei Biomaterialien relevant, hat aber auch einen Einfluss auf die optische Wahrnehmung der Oberfläche. 1,2

Durch eine anodische Potentialdifferenz zwischen dem Bauteil und dem umgebenden Elektrolyten oxidiert das Metall. Die Bedingungen werden so angepasst, dass sich eine gegenüber Oberflächenunebenheiten dicke Diffusionsschicht ausbildet, wodurch sich bevorzugt die Spitzen der Unebenheiten auflösen. Vor allem wenn die elektrochemischen Reaktionen unter Massentransport-kontrollierten Bedingungen ablaufen, entsteht eine ungleichmäßige Verteilung des elektrischen Feldes: An den Spitzen von Unebenheiten ist die Stromdichte signifikant höher als am restlichen Bauteil. Diese lokale Auflösung lässt sich durch den Einsatz von Elektrolyten mit niedriger elektrischer Leitfähigkeit, z. B. solche auf Basis von Ethylenglykol, und der resultierenden Verteilung des elektrischen Feldes noch verstärken. 1,3 Technisch lässt sich dieser Effekt durch das Zusammenspiel von Temperatur, Viskosität und erzwungener Konvektion des Elektrolyten steuern.

Bei sehr reaktiven Metallen, z. B. Titan, bilden sich allerdings stabile Oxide, die nur schwer zu entfernen sind und darüber hinaus zu einer weiteren Aufrauhung der Oberfläche führen. 2,3 Für das Elektropolieren solcher Oberflächen werden Säuren benutzt, die diese Oxide entfernen, z. B. Fluss- und Phosphorsäure. Aus der Nutzung solcher gefährlichen und gesundheitsschädlichen Chemikalien resultieren hohe Sicherheitsanforderungen sowie zusätzliche Kosten für die Entsorgung der Elektrolyten.

Edelmetalle wie Palladiumweißgoldlegierungen werden oft in der Schmuckindustrie eingesetzt. Die Herausforderung bzgl. der Elektropolitur solcher Materialien liegt in ihrer sehr hohen elektrochemischen Stabilität. Ihre Auflösung ist meist nur in Cyanid-haltigen Elektrolyten und unter extremen Bedingungen möglich, daher gibt es zurzeit keinen wirtschaftlichen industriellen Prozess.

In Kooperation mit Partnern aus der Industrie erforscht das Fachgebiet Elektrochemie und Galvanotechnik der TU Ilmenau im Projekt E-Polo die Entwicklung eines maßgeschneiderten umweltfreundlichen Elektropolierprozesses für die industrielle Oberflächenbehandlung von Titan und Palladiumweißgoldlegierungen auf Basis ionischer Flüssigkeiten (ILs).

Diese aus organischen Kationen und organischen oder anorganischen Anionen bestehenden Salze weisen durch einen asymmetrischen Aufbau der Moleküle und delokalisierte Ladungen eine verringerte Gitterenergie auf und sind dadurch bei Umgebungstemperaturen flüssig. 2,3 ILs weisen zudem breite elektrochemische Stabilitätsfenster auf, was ihren Einsatz in der Galvanotechnik interessant macht, haben allerdings gegenüber wässrigen Elektrolyten eine höhere Viskosität. Aufgrund der großen Zahl möglicher Kombinationen der Bestandteile ionischer Flüssigkeiten und der resultierenden Eigenschaften, ist eine genaue Erforschung des Zusammenspiels von Zusammensetzung, Temperatur und Viskosität in Bezug auf die technische Anwendung notwendig. Der Einsatz von Pulstechniken bietet in diesem Zusammenhang zusätzliche Möglichkeit um gute Polierresultate zu erzielen.

Der im Rahmen des Projekts zu entwickelnde Prozess soll bereits bei relativ niedrigen Temperaturen (< 80°C) eingesetzt werden können. Wissenschaftliche Arbeiten deuten darauf hin, dass Elektrolyte auf Basis von Cholinchlorid und Ethylenglykol geeignet sein könnten.3,4 Erste Laborversuche mit solchen Elektrolyten zeigten vielversprechende Ergebnisse bei der Elektropolitur von Titan (siehe Abb. 1). Darüber hinaus sind toxikologisch unbedenkliche Substanzen, z. B. Harnstoff und Zitronensäure, interessante Optionen, die im Laufe des Projekts systematisch hinsichtlich ihrer Eignung für die Elektropolitur und der resultierenden Steigerung der Oberflächengüte untersucht werden. 

Quellen:

(1) Han, W.; Fang, F. Fundamental aspects and recent developments in electropolishing. International Journal of Machine Tools and Manufacture 2019, 139, 1–23.

(2) Lebedeva, O.; Kultin, D.; Zakharov, A.; Kustov, L. Advantages of Electrochemical Polishing of Metals and Alloys in Ionic Liquids. METALS 2021, 11.

(3) Abbott, A. P.; Frisch, G.; Hartley, J.; Karim, W. O.; Ryder, K. S. Anodic dissolution of metals in ionic liquids. Progress in Natural Science: Materials International 2015, 25, 595–602.

(4) Abbott, A. P.; Boothby, D.; Capper, G.; Davies, D. L.; Rasheed, R. K. Deep Eutectic Solvents Formed between Choline Chloride and Carboxylic Acids: Versatile Alternatives to Ionic Liquids. Journal of the American Chemical Society 2004, 126, 9142–9147.

 

Zur Person

Lúcia Nascimento studierte Chemie an der Universität von Madeira und fertigte als Erasmus Studentin an der Humboldt Universität zu Berlin/ Charité ihre Diplomarbeit an. An der TU und FU Berlin, bei Atotech Deutschland und Biotrics Bioimplants AG sammelte sie Forschungs- und Industrieerfahrung in vielen Bereichen der Elektrochemie. Seit Mitte Januar 2022 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fachgebiets Elektrochemie und Galvanotechnik an der TU Ilmenau im Projekt E-Polo.

Kontakt

Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Bund
Technische Universität Ilmenau
Fachgebiet Elektrochemie und Galvanotechnik
andreas.bund(at)tu-ilmenau.de

Dr. René Böttcher
rene.boettcher(at)tu-ilmenau.de

Lúcia Cardoso Nascimento
lucia.nascimento(at)tu-ilmenau.de