43. Ulmer Gespräch - Forum für Oberflächentechnik: Nachbericht zur Veranstaltung

Unter dem Motto "Nachhaltigkeit und Klimaneutralität – Herausforderungen und Chancen für elektrochemische Prozesse und Galvanotechnik" fand am 04./05. Mai 2022 nach zweijähriger Pause das 43. Ulmer Gespräch zur Freude aller Beteiligten wieder am traditionellen Ort im Edwin-Scharff-Haus in Neu-Ulm in persönlicher Begegnung statt. Eröffnet wurde die Veranstaltung zunächst mit der erstmaligen Vergabe des DGO-Nasser-Kanani-Preises, den Dr. Martin Leimbach von der TU Ilmenau entgegennahm.

Das 43. Ulmer Gespräch fand wieder in Präsenz statt.

Impulsvortrag mit provokativen Thesen zum Weltklima

Das hoch aktuelle Thema „Nachhaltigkeit und Klimaneutralität – Herausforderungen und Chancen für elektrochemische Prozesse und Galvanotechnik „ wurde von einem Impulsvortrag eingeleitet, der die derzeitige Situation und mögliche Entwicklungen sehr deutlich bis provokativ darstellte. Die Situation wird dadurch gekennzeichnet, dass die Weltbevölkerung jedes Jahr um die Einwohnerzahl Deutschlands zunimmt und im Jahre 2050 etwa 10 Milliarden betragen wird. Die volkreichsten Bereiche sind dann in der Reihenfolge Indien, Afrika , China und die USA. Diese Entwicklung findet vorwiegend in Städten statt und ist zur Armutsbekämpfung gekoppelt an einen immens steigenden Energiebedarf etwa bei der Produktion von Stahl und Beton sowie eine stark zunehmende Mobilität. Die Auswirkungen der deutschen Bestrebungen auf Klimaneutralität sind hierbei weltweit nicht relevant. Hierdurch kann das Gesamtwachstum der klimafeindlichen Treibhausgase nicht gebremst und auch nur marginal gemindert werden. An eine weltweit umweltfreundliche Mobilitätsentwicklung etwa durch die eMobilität kann angesichts der 1,3 Milliarden Verbrennungsmaschinen und einer Zunahme des Schwerlastverkehrs allenfalls in den reichen Industrienationen gedacht werden. Auch die visionäre Diskussion um das goldene Wasserstoffzeitalter ist bei näherer Sicht mit vielen Fragezeichen zu versehen. ­Deutschland kommt in seinem vergleichsweise extremen Klimakurs allenfalls Bedeutung zu durch seine Innovationen auf diesem Gebiet und in psychologischer Hinsicht durch seine Fortschrittszuversicht. –­­­­­

Elektrochemische Verfahren für solare Energieerzeugung und Batteriesysteme

Im ersten Teil des Fachprogramms ging es um elektrochemische Verfahren für die solare Energieerzeugung und Batteriesysteme. Für die Fertigung von Solarzellen mit einem derzeitigen maximalen Wirkungsgrad von 24 % wurde ein elektrochemisches Wafering-Verfahren auf Basis von SiC vorgestellt. Für die Metallisierung wird ein Ersatz des Siebdrucks von Ag durch die elektrochemische  Kontaktierung mit NiCu angestrebt. Durch die engeren Leiterbahnen wird die Lichtausbeute erhöht. Ein nicht unwesentlicher Aspekt ist hierbei jedoch auch der schwankende Silberpreis. Im Rahmen stationärer Großbatterien wurden die Vor- und Nachteile der Vanadium-Durchflussbatterie als Beispiel für ein konventionelles Redox Flow-Batteriesystem erörtert. Weitere Entwicklungen auf diesem Gebiet betreffen die Systeme Fe2+/Fe3+ , H2/Br2 oder z.B. das Zn slurry air System. Für bipolar aufgebaute Li-Ionen Batterien werden als Ersatz für durch Walzen beschichtete Durchleiterfolien elektrochemische Verfahren entwickelt. Hierbei geht es um galvanisch abgeschiedene Kupfer- und Nickelschichte auf Aluminiumfolien.

Im Rahmen der Rohstoffknappheit kommt den Recyclingverfahren eine wachsende Bedeutung zu. Für Elektroschrott und Seltenerdenmagnete wurden elektrochemische Möglichkeiten diskutiert. Nicht unerwartet sind die vorherigen Trennungs- und Sortierungsvorgänge entscheidende Faktoren. Die danach zur Anwendung kommenden Schmelzflusselektrolyse und Pyrolyse-Verfahren sind in ihrer Effizienz daran orientiert. Vor dem Recyceln von Li-Ionen Batteriesystemen steht natürlich deren Verwendung in Gebieten geringerer Anforderungen wie etwa im Hausbereich. Für die Bereiche der Demontage und das Recyceln von Graphit, Al,Ni,Co und Li sind derzeit Gigafirmen im Aufbau. Als Verfahren kommen die Pyrolyse, Pyrometallographie und die Hydrometallographie zum Einsatz. In Abhängigkeit von den Batteriesystemen konnte die Recyclingrate von 30% auf derzeit 70 Prozent gesteigert werden. Angestrebt werden 90%.

Betriebe, Energie und Energiemanagement

Im zweiten Teil der Veranstaltung lag der Fokus auf den Themen Betriebe, Energie und Energiemanagement.

Für alkalische ZnNi-Elektrolyte wurde am Beispiel der mit poröser keramischer Membran umgebenden 3S Anoden aufgezeigt, dass durch die Trennung in Ano- und Katolyten eine Wirkungsgraderhöhung und  eine CO2-Reduktion um maximal um 75 % erzielt wird. Grund hierfür sind im Wesentlichen  eine niedrigere Badspannung, verbesserte Elektrolytleitfähigkeit, verminderte Abbauprodukte und eine geringere Elektrolytverdünnung. Verfahrenstechnisch sind vermehrt Schlauch- und Pumpsysteme für die Anoden erforderlich.

Beim Eloxieren von Aluminiumbauteilen etwa für Architekturanwendungen entstehen an der Kathode große Mengen Wasserstoff. Durch ein Auffangen und eine stille Verbrennung des Wasserstoffs durch gesteuerte Knallgasreaktion kann  die Wärme zur Heizung der nachfolgenden Verdichtungselektrolyte verwendet werden. Erforderlich ist allerdings eine exakte Steuerung der Vorgänge zur Vermeidung einer Explosion, die oberhalb der Grenze von 4% Wasserstoffgehalte im Verhältnis zu Sauerstoff möglich wird.

Entsprechend der seit 2015 vorgeschriebenen Zertifizierung ISO 50001 wurden die Komponenten und Auswirkungen eines Energiemanagementsystems diskutiert. In den einzelnen Komponenten des Strommix, des Wärmehauhalts, der Druckluftversorgung und des Badmonitoring wurden diverse Beispiele zur Energieoptimierung im Rahmen eines Maßnahmenplanes bis hin zur Personalschulung aufgezeigt.

Im Rahmen der Dekarbonisierung wird angestrebt, alle Prozesse entlang der Wertschöpfungskette mit einem CO2 Footprint zu definieren, so dass eine vom Beginn bis zum Ende eines Produktes nachvollziehbare Energiebilanz und damit Entscheidungshilfe vorliegt. Hierzu wurde z.B. von Siemens ein offenes System entwickelt, mit dem vertrauenswürdig Emissionsdaten entlang der Lieferkette ausgetauscht werden können. Hierbei muss jeder in der Lieferkette zertifiziert seine  CO2 Äquivalente selbst definieren und dabei keinesfalls interne Daten mitteilen. Für diese Vorgänge können gegebenenfalls Fördergelder bereit gestellt werden.

Eine  CO2 freie Prozesswärme sowie die insgesamt erforderliche Digitalisierung der galvanotechnischen Prozessabläufe waren Themen weiterer Beiträge.

Für  eine CO2 freie Prozesswärme stehen die Mgöichkeiten von Wärmepumpen mit Solarenergie, Blockheizkraftwerke, Biomasseanwendungen, Abwassernutzung sowie Solarthermie und alle Möglichkeiten in Kombination zur Verfügung. Entsprechende Planungskonzepte werden von verschiedenen Institutionen angeboten.

Die Digitalisierung der Galvanik – Kundenkontakte sowie die vollständige Erfassung und Steuerung aller relevanten Daten im galvanotechnischen Prozessablauf ist ein Big Data Problem .Konsequent durchgeführt erlaubt es den Kunden online die Verfolgung ihres Auftrages und intern die vollständige Kontrolle der Prozessabläufe mit der sich daraus ergebenden  Sicherheit und Qualität. Daraus folgen auch Anforderungen für die Qualifikation des Personals und die Ausbildung zukünftiger Oberflächentechniker.

In einem abschließenden Beitrag wurde die Frage nach alternativen kohlenstofffreien und regenerativen  Brennstoffen aufgeworfen. So können etwa Fe-haltige Stoffe wie auch Schrott verbrannt und somit verstromt werden. Durch elektrochemische Reduktion könnte der Kreislauf wiederholt gestartet werden. Interessant wäre beispielsweise auch ein System aus Si, dass zu SiO2 verbrannt und somit als Wertstoff genutzt werden kann. Auch andere Atmosphären wie etwa bei der Umsetzung von Ti zu TiN sind denkbar, wobei wiederum neue Wertstoffe gebildet werden.