Das 45. Ulmer Gespräch beschäftigte sich mit dem top-aktuellen Thema der Nachhaltigkeit und insbesondere damit, welche Rolle die Oberflächentechnik bei den gegenwärtigen Entwicklungen der Energie- und Mobilitätswende spielt. Ein naheliegender Aspekt ist die Nachhaltigkeit des galvanotechnischen Prozesses und Betriebs selbst, sprich: wie in unserer Industrie energie- und ressourceneffizienter gearbeitet werden kann. Mehr noch wurde aber ein weiterer Aspekt behandelt, nämlich wie neue Technologien, die die Grundlage für eine zukünftige Klimaneutralität bilden, von maßgeschneiderten Oberflächen und elektrochemischen Prozessen profitieren. Als Schlüsseltechnologien wurden dabei die Wassersstoff- und die Batterietechnologie (mit, aber vor allem auch ohne Lithium) in den Mittelpunkt gestellt.
Oberflächentechnik für die Wasserstoffwirtschaft
Für den Keynote-Vortrag konnte der Fachausschuss Forschung Prof. Dr. Thomas von Unwerth (Inhaber des Lehrstuhls für Alternative Fahrzeugantriebe an der TU Chemnitz) gewinnen. Er gab einen umfassenden Überblick über die Wasserstoffwirtschaft. Dabei kam sowohl die Erzeugung und Verfügbarkeit von Wasserstoff in verschiedenen Regionen der Welt - also auch die Speicherung und die Anwendung als Energieträger in unterschiedlichen Bereichen - zur Sprache. Eingeleitet wurde der Vortrag mit der Darstellung verschiedener Szenarien der Klimaentwicklung bei reduziertem bzw. gleichbleibendem anthropogenen Kohlendioxid-Ausstoß in den nächsten Jahrzenten.
Dr. Mila Manolova (fem, Schwäbisch Gmünd) stellte neue Entwicklungen im Bereich Kathodenmaterialien für die alkalische Wasserstoff-Elektrolyse vor. Ein hoher Wirkungsgrad und eine gute Langzeitstabilität lassen sich durch elektrolytisch abgeschiedene, schwefelhaltige Nickelagglomerate auf einem Edelstahlvlies erreichen.
Einen Überblick über Vor- und Nachteile verschiedener Elektrolyse-Verfahren gab Dr. Thomas Klicpera (Schaeffler Technologies): Während die alkalische Elektrolyse in vielen Bereichen überlegen ist, gibt es auch einzelne Aspekte, wie zum Beispiel flexible Arbeitsbereiche in Teillast, bei denen die PEM-Elektrolyse punktet.
Oberflächen für Batterien und Brennstoffzellen
Prof. Dr. Timo Sörgel (Hochschule Aalen) zeigte in seinem Beitrag, wie ein galvanotechnisches Verfahren, sprich die Kompositgalvanoformung als Alternative für das herkömmliche Verfahren der Kathodenherstellung für Lithium-Ionenbatterien eingesetzt werden kann. Beim herkömmlichen Verfahren wird eine Paste aus leitfähigen und redox-aktiven Partikeln zusammen mit Matrixmaterial auf einer Folie aufgetragen und getrocknet. Bei dem galvanischen Verfahren werden die aktiven Partikel in einer leitfähigen metallischen Matrix, zunächst Nickel, neuerdings Aluminium, co-abgeschieden.
Das IGF geförderte Projekt „Elektro-SnoX“ beschäftigt sich ebenfalls mit einer galvanotechnischen Alternative zur Batterieelektroden-Herstellung: Dr. Mathias Weiser (IKTS Dresden) demonstrierte einen Ansatz, bei dem galvanisch abgeschiedenes Zinn anodisiert wird, um eine hochporöse Zinnoxid-Schicht zu erhalten. Die so gewonnene Schicht zeigt sich als ein in vielen Belangen überlegener Träger für die Lithiierung.
Neue Energiespeicher
Ein spannender und vielfältiger Vortragsblock hatte alternative Energiespeicher zu Thema. Für die vollständige Defossilisierung unserer Industriegesellschaft wird es neben Wasserstoff und Lithiumbatterien weiterer Technologien bedürfen. Dr. Andreas Dietz (Fraunhofer IST) zeigte, wie Eisenpulver als kostengünstiger und nachhaltiger Brennstoff dienen kann, indem das Verbrennungsprodukt, Eisenoxidpulver, mit (regenerativ erzeugtem) elektrischen Strom elektrochemisch wieder reduziert wird.
Die Thematik „Post-Lithium“ in der klassischen Batterietechnik wurde in den Vorträgen von Christoph Kiesl (fem, Schwäbisch Gmünd) und Prof. Dr. Philipp Adelhelm (HU Berlin) behandelt, die sich mit Calcium, respektive Natrium als Ersatz von Lithium in der Batterietechnik auseinandergesetzt haben.
Ein breiter Überblick über Redox-flow-Batterien wurde von Dr. Martin Opitz (fem, Schwäbisch Gmünd) präsentiert. Dies sind Batterien, bei denen ein großes Volumen an Elektrolyt mit redox-aktiven Reaktanden durch Anoden- und Kathodenraum gepumpt wird, und die eine Rolle bei den großen, stationären Energiespeichern spielen. Insbesondere in Deutschland gibt es hier zahlreiche innovative Ansätze und auch geförderte Projekte.
Oberflächentechnik unterstützt Nachhaltigkeit
Prof. Dr. Andreas Bund von der TU Ilmenau berichtete im ersten Vortrag des letzten Vortragsblocks von einer elektrochemischen Methode, Kohlendioxid in nützliche organische Verbindungen umzuwandeln. Hier geht es also, anders bei der CO2-Vermeidung, um das sogenannte „carbon capturing“, sprich: die Verwendung von in der Atmosphäre vorhandenem CO2. Es wurden spannende Ergebnisse vorgestellt, für die aber eine Betrachtung der Gesamtenergiebilanz im Vergleich zu anderen Verfahren noch wenig sinnvoll ist.
Ein sehr schönes Beispiel für den gegenwärtigen Einsatz von Oberflächen-Know-How zur Unterstützung der Mobilitätswende wurde von Dr. Isabell Buresch (TE Connectivity) vorgestellt. Es wurden detaillierte Testergebnisse von Silber-Dispersionsschichten im Vergleich zu anderen Kontaktmaterialien in Steckverbindern gezeigt.
Auch im Alltag einer klassischen Lohngalvanik können Beiträge zur Energieeffizienz und Nachhaltigkeit geleistet werden, wie Franz Rieger (Rieger Metallveredelung) eindrucksvoll und mit viel Enthusiasmus gezeigt hat.
In seinem Schlussvortrag präsentierte Lionel Thiery (MacDermid Enthone) Anstrengungen und Innovationen in verschiedensten Bereichen der Oberflächentechnik aus der Sicht eines Verfahrenslieferanten.